Fussballer

Fußballer – Play der Kulturhelden oder Game der Zivilisationsheroen?
von Dr. Christian Bauer

Die Fotografien von David Ertl stehen in einer langen kulturgeschichtlichen Tradition von Bildprogrammen. Nur auf den ersten Blick mag es irritierend erscheinen, wenn seine Bild-gebungen an die Prähistorie des Menschen zurückgebunden werden. Geht man auf die Vorzeit zurück, in der die Menschen erste Symbole kodifizierten, also aus ihrer selbstverständlichen Lebenswelt gleichsam in die Fremde einer künstlichen Zeichenge-bung hinaustraten, trifft man auf die ersten Weltbild-Codierer. Diese pinselten Jagdszenen an die Höhlenwände und begriffen diese „Szenen als Ersatz für Sachlagen“ , die Jagdteilnehmer als Mitteilungen anderer zu entschlüsseln hatten. Weiß man als Betrachter, dass die Höhlenmalereien von Lascaux oder Altamira als Trainings- und Übungsprogramme für die Mitglieder der Horde angelegt wurden und also dem Einüben von Handlungsabläufen galten, wird die programmatische Parallele zu Ertls Fotos evident: „Dieses Lernen ist zugleich auch ein Beschwören, ein sich Vertrautmachen, ein sich Einstellen, vergleichbar mit dem Verhalten von Fußballmannschaften, die sich vor dem Spiel kennenzulernen versuchen. Jeder Spieler sieht vor dem Match Videos von seinem Gegenspieler, lernt dessen Tricks, Eigentümlichkeiten, Bewegungsformen. So ähnlich lief das auch in Lascaux ab. Man machte sich vertraut mit den Tieren, mit ihren Gewohnheiten.“ Mit dieser Lehre versehen, ist der Mensch aus der Höhle getreten und hat seitdem den Kampf ums Überleben bewältigt, indem er in Antizipationen durchzuspielen verstand, was möglicherweise auf ihn zukommen kann.
In antiken Zeiten entstehen bekanntermaßen Jagdspiele, die bei den Griechen die Bezeichnung hieros gamos erhielten. Die heiligen Spiele der Jagd sind als Spiele auf Leben und Tod deshalb zivilisationsgeschichtlich bedeutsam, weil in diesen Spielen Regelhaftigkeiten erprobt wurden, die von sakralrechtlichem Belang gewesen sind. Denn im gamos als Jagdspiel wurde die Sakralität des Lebens miteingeführt – und somit ein wichtiger Schritt genommen hin zu späteren Tötungsverboten. Aus dieser Perspektive wird durchsichtig, dass das Game mehr ist als bloß ein Spiel („Play“). Denn das Play ist weniger regelgeleitet, folgt nicht in dem Maße der Standardisierung von Handlungsabläufen, es ist, zumindest auf den ersten Blick, freies Spiel. Kinder nehmen ganz unbefangen am Play teil, Jugendliche schon am Game, die Erwachsenen an beidem.
Des Weiteren verdanken wir der griechischen Kultur das Bewusstsein vom agon als dem Prinzip des Wettstreits als der Verlängerung einer kämpferisch bis kriegerischen Kultur mit den Mitteln des Sports. Gipfelnd im olympischen Gedanken ist der agon als ein Programm der Bestenauslese zu verstehen: The winner takes it all. All dies schwingt mit, will man heute vom Volkssport Fußball als einem Kulturmuster sprechen.
Ist von Fußballkultur die Rede, so wird gleichsam vom Konzept des Plays ausgegangen. Denn das Play ist der Tendenz nach von der kulturalistischen Unterscheidung getragen, für die das Prinzip von Inklusion und Exklusion bestimmend ist.